Unsere Forschung für Menschen mit Epilepsie
Am Schweizerischen Epilepsie-Zentrum an der Klinik Lengg werden laufend klinisch orientierte Forschungsprojekte durchgeführt. Das übergeordnete Ziel der wissenschaftlichen Aktivitäten unseres Zentrums ist die Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Epilepsie durch Grundlagenforschung und die Entwicklung innovativer diagnostischer und therapeutischer Verfahren. Die klinische Forschung befasst sich auch mit Epilepsien im Kindesalter und mit Epilepsien bei Menschen mit Behinderungen. Forschungsergebnisse und neue Erkenntnisse auslaufenden und abgeschlossenen Studien sollen möglichst vielen Menschen mit Epilepsie zugutekommen.
Die wissenschaftlichen Aktivitäten am Epilepsie-Zentrum umfassen heute ein breites Forschungsspektrum. Von herausragender Bedeutung für unsere aktuelle und zukünftige
Forschungsausrichtung sind hochspezialisierte Projekte mit Fokus auf schwer behandelbaren Epilepsien (pharmakoresistente Epilepsien), die Erforschung von Epilepsien bei Menschen mit Behinderungen, die Charakterisierung seltener Epilepsien, die Entwicklung von neuen Methoden in der Bildgebung sowie die Erforschung der sozialen Auswirkungen von Epilepsien. Für einen solch interdisziplinären und hochspezialisierten Forschungsansatz bestehen am Schweizerischen Epilepsie-Zentrum ideale Voraussetzungen durch die etablierte partnerschaftliche Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen, Berufsgruppen und Betriebe am Standort in Zürich. Die medizinische Forschung an der Klinik Lengg basiert auf der langjährigen und kontinuierlichen Unterstützung durch die Schweizerische Epilepsie-Stiftung. In der Epilepsieforschung unserer Institution sind Stellen explizit für den wissenschaftlichen Nachwuchs reserviert. Die akademische Ausbildung und Betreuung von Doktorierenden und Masterstudierenden erfolgt im Rahmen von Forschungsprojekten an ihrer Klinik. Die universitäre Anbindung ist durch die Zusammenarbeit mit der Universität Zürich und der ETH Zürich gegeben. Zu diesem Zweck sind Forschende unserer Institution als Forschungsgruppenleiter am universitären Zentrum für Neurowissenschaften (ZNZ) akkreditiert.
Neurophysiologische Forschung
Die neurophysiologische Forschung beschäftigt sich mit neuen Analysemethoden zur Charakterisierung von Hirnströmen bei Epilepsiepatienten. Dazu analysiert das Team um Dr. Debora Ledergerber und Dr. Tena Dubcek EEG-Signale oder Signale von im Gehirn implantierten Elektroden. Ziel dieser Forschung ist es, die epileptische Aktivität individuell genauer zu charakterisieren, um unter anderem bessere Ergebnisse bei epilepsiechirurgischen Eingriffen zu ermöglichen. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist die Neuromodulation. Hier zielt die Forschung darauf ab, durch spezifische Hirnstimulationsverfahren (z. B. die Tiefe Hirnstimulation) die epileptische Aktivität im Gehirn dauerhaft zu unterdrücken.
Neuropsychologische Forschung
Die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Hennric Jokeit beschäftigt sich mit Problemen im Bereich der sozial-kognitiven Fähigkeiten bei Menschen mit Epilepsie. Dabei wird untersucht, wie Menschen mit Epilepsie soziale Interaktionen verarbeiten und auf diese reagieren. Einschränkungen in diesem Bereich (der so genannten «sozialen Kognition») sind bei einigen Epilepsieformen häufiger und haben einen grossen Einfluss auf die Lebensqualität. Eine aktuelle internationale Studie unter der Leitung von Hennric Jokeit und seinen Doktorierenden Rebecca Johannessen und Marcel Eicher hat zum Ziel, ein schnell verfügbares und gut validiertes Verfahren zu etablieren, mit dem die soziale Kognition in einem leicht zugänglichen Online-Test gemessen werden kann. Die Früherkennung sozial-kognitiver Einschränkungen wird wichtige therapeutische Konsequenzen für die Betroffenen haben.
Forschung im Bereich Bildverarbeitung
Die Forschung und Entwicklung im Bereich der medizinischen Bildverarbeitung zielen darauf ab, vorhandene Schnittbilder des Gehirns aus MRT-Untersuchungen mit computergestützten Verfahren noch genauer zu analysieren. Eine solche, der Routinediagnostik nachgelagerte Analyse, z. B. durch Einsatz künstlicher neuronaler Netze im Sinne des «machine learning», kann kleinste Veränderungen des Gehirns sichtbar machen, die in der Routinediagnostik nicht erkennbar sind. Aktuell geht die Entwicklung in Richtung immer komplexerer neuronaler Netze mit mehr und tiefer gestaffelten Ebenen, was als «deep learning» bekannt ist. Man erhofft sich hiervon eine schnellere und präzisere Verarbeitung von Bilddaten. Diese von Prof. Hans-Jürgen Huppertz entwickelten Ansätze sind von hoher klinischer Relevanz, insbesondere für epilepsiechirurgische Verfahren, und werden in Kooperation mit unserem Zentrum weltweit von verschiedenen Gruppen wissenschaftlich und klinisch genutzt.
Genetische Forschung
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Erforschung komplexer Epilepsien mit genetischem Hintergrund («rare diseases»). Dieser genetisch orientierte Forschungszweig wird in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Leipzig (Prof. Johannes Lemke) durchgeführt. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Erforschung von Epilepsien bei Menschen mit Behinderungen. Insbesondere im Erwachsenenbereich ist es ein wichtiges Ziel, diese Epilepsieformen genauer zu charakterisieren und zu verstehen, um in Zukunft auf der Basis genetischer Analysen massgeschneiderte individuelle Therapien entwickeln und anbieten zu können.
Autor
Dr. Lukas Imbach
Medizinischer Direktor Epileptologie, Klinik Lengg
Haben Sie unseren ersten Blog verpasst? Erfahren Sie Wissenswertes über das Schweizerische Epilepsie-Zentrum (SEZ). Hier geht’s zum Blogartikel.